Dr. Anna Xymena Wieczorek
Flüchtlingsmigration und Mobilität in Europa: Die Rolle des Schengener Abkommens bei Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien
(Start-up Project)
Kontext
Hintergrund dieser Studie bildet der „lange Sommer der Migration“ (Hess et al. 2016) oder die Ereignisse, die gemeinhin abwertend als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet werden. Das Migrationsgeschehen hinter diesen Bezeichnungen erreichte globale mediale Aufmerksamkeit im Sommer 2015 als Millionen von Menschen vor Krieg und Terror in Syrien und Afghanistan flüchteten und nach Europa gelangten. Die Massen an Flüchtlinge kamen aber nicht nur aus dem Nahen-und Mittleren Osten, sondern auch aus Pakistan, Eritrea, Somalia, Nigeria und aus dem Sudan zusammen mit einer anhaltend hohen Zuwanderung von Menschen aus Serbien, dem Kosovo und Albanien (vgl. Vertovec 2015). Einerseits lösten diese Entwicklungen die Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, den Geflüchteten in praktischer Solidarität zur Seite zu stehen, während gleichzeitig rassistische Stereotypien mobilisiert und die Aufenthaltsbedingungen der Geflüchteten staatlicherseits wieder verschärft werden. Diese teils gegenläufigen Entwicklungen werden insbesondere von Politik und Medien aufgegriffen und öffentlich thematisiert. Seit dem Sommer 2015 vergeht kaum ein Tag ohne mediale Berichterstattung über das Thema. Die Flüchtlingsdebatte ist ohne Zweifel in aller Munde in Europa.
Forschungsstand und Fragestellungen
Diese Studie möchte einen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte leisten und eine neue analytische und methodologische Perspektive einführen, welche die Annahme, dass Migranten in ihren Ankunftsländern sesshaft bleiben, aufzubrechen versucht. Die aktuelle Sicht auf Flüchtlingsmigration ist einerseits durch eine starke sesshafte Politik geprägt, andererseits aber auch von einer Politik, die Rückkehrmigration in jeglicher Art fördert: Der Hohe Flüchtlingskomissar der Vereinten Nationen (UNHCR) beispielsweise empfiehlt zur dauerhaften Problemlösung entweder lokale Integration und Familienzusammenführungen von Flüchtlingen, oder ihre Neuansiedlung in sog. Drittstaaten (resettlement) bzw. (freiwillige) Rückkehr (vgl. UNHCR 2014). Neueren Erkenntnissen im Bereich der Migrationsforschung zufolge, sind Migranten weder notwendigerweise sesshaft im Ankunftsland, noch praktizieren sie ausschließlich sedentäre Rückkehrmigration. Forschungen bestätigen andauernde geographische Mobilitätspraktiken von Migranten „nach der Migration“ (vgl. Dahinden 2010, Lindley und Van Hear 2007, Jefferey und Murison 2011, Moret 2015, Schrooten et al. 2015, Wieczorek 2016) und machen verschiedene Muster der (Im)Mobilität aus (vgl. Wieczorek 2017). Aufbauend auf diesen Ergebnissen, beschäftigt sich diese Studie mit einer potenziellen (geographischen) Diversität von Mobilitätspraktiken bei Menschen, die in der Vergangenheit als Flüchtlinge in die Länder der EU migrierten bzw. in Länder, die trotz fehlender EU-Mitgliedschaft das Schengener Abkommen unterzeichnet haben (z.B. Schweiz, Lichtenstein, Norwegen), und dessen aufenthaltsrechtlicher Status sich mittlerweile gesichert bzw. stabilisiert hat. Bei der Situation bereits migrierter Flüchtlinge ist anzunehmen, dass sowohl die Form der Im/Migration eine Rolle spielen wird (insbesondere der Aufenthaltsstatus der damit verknüpft ist) als auch die EU-Regulierung der Personenfreizügigkeit unter dem Schengener Abkommen. Im Vordergrund steht die Frage, ob die (Im)Mobilitätsmuster der Immobilität, Transmobilität und Kosmobilität (vgl. ebd.) auf eine EU-Binnenflüchltingsmigration anwendbar sind bzw. wie sie davon abweichen, ob andere Muster entstehen und welche strukturellen und individuellen Gründe dafür auszumachen sind. Dabei liegt der inhaltliche Fokus auf der Rolle des Schengener Abkommens. Zu fragen ist: Welche Rolle spielt das Schengener Abkommen bei der Entstehung von geographischen (Im)Mobilitätspraktiken von Flüchtlingen? Wie nehmen die Flüchtlinge „Schengen“ wahr? War ihre Flucht mit Erwartungen bezüglich ihrer Personenfreizügigkeit unter Schengen am neuen Ankunftsort verbunden? Sind ‒ wenn überhaupt ‒ ihre Mobilitätspraktiken auf den europäischen Schengener Raum gerichtet? Oder praktizieren sie eher doch andere Mobilitäten, z.B. im Sinne einer Rückkehrmigration?
Forschungsdesign
Diesen Fragen wird anhand von Methoden qualitativer Sozialforschung nachgegangen. Dabei würden sich eine Kombination aus strukturierten Leitfrageninterviews und narrativen Interviews anbieten um einerseits inhaltliche Schwerpunkte zu setzten; andererseits aber auch gewährleisten zu können den Interviewten Spielräume zu geben ihre potenziellen Mobilitätspraktiken und die dafür zugrundeliegenden Motivationen darzulegen. Als Untersuchungsgruppe (Sample) bieten sich aus methodologischen Gründen Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien an, weil diese „Flüchtlingswelle“ ‒ ausgelöst durch die Jugoslawienkriege (Balkankonflikt) ‒ bereits einige Jahre zurückliegt und somit eine Untersuchung zu „Mobilität nach der Flucht“ überhaupt erst möglich macht. Aufgrund dieser inhaltlichen Ausrichtung, wird angestrebt einer methodologischen Verzerrung des sog. „Methodologischen Nationalismus“ so weit wie möglich entgegenzusteuern. Im Besonderen bietet sich dazu an, die Untersuchung nicht nur in einem europäischen Nationalstaat durchzuführen, sondern in mehreren und somit einen mehrseitigen Ansatz (multi-sited approach) zu Grunde zu legen (vgl. Marcus 1995, Amelina und Faist 2010). Interessant ist der Fall von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien auch deshalb, weil es sich um europäische Binnenmigration handelt, deren Wanderungsrichtung von Nicht-EU Ländern hin zu EU-Mitgliedsstaaten verläuft. Bezüglich des Forschungsdesigns wäre noch zu klären, welche und wie viele Länder des Schengener Raums als Untersuchungsorte in Frage kämen (z.B. Deutschland, Österreich, Schweden).
Beitrag zur Flüchtlingsdebatte in Europa und Ziel der Studie
Die öffentliche Debatte in Europa fokussiert vor allem auf Syrische und Afghanische Flüchtlinge, die im Sommer 2015 nach Europa gekommen sind. Diese Untersuchung kann aufgrund methodologischer Probleme bei dieser Migrantengruppe jedoch nicht durchgeführt werden, weil diese Menschen aufgrund ihres oftmals nicht geklärten rechtlichen Status die Personenfreizügigkeit des Schengener Abkommen (noch) nicht nutzen können. Trotzdem kann diese Studie, die auf einer bereits länger vergangenen Fluchtwelle basiert, zu diesem Diskurs einen wichtigen Beitrag leisten. Sie könnte sowohl für eine „Entdramatisierung“ der politisierten Flüchtlingsdebatte als auch für pragmatische Politikgestaltung im Bereich der europäischen Integrations- und Migrationspolitiken von Relevanz sein.
Ziel dieser Studie ist es, ein tieferes Verständnis von der tatsächlichen (Im)Mobilität von Flüchtlingen zu generieren. Dieses impliziert ein Bild, welches Flüchtlinge als Akteure in den Vordergrund stellt, anstelle eines Bildes des „passiven“ Flüchtlings, der keine Handlungskapazitäten aufweist. So kann die Integration von Flüchtlingen im „europäischen Raum“ betrachtet und gefördert werden, und nicht nur in einem „nationalstaatlichen Container.“ Der Fokus auf die Frage: „Was passiert nach der Flucht?“ kann somit eine innovative Perspektive auf das europäische Flüchtlingsgeschehen bieten um letztlich politische Empfehlungen in Bezug auf Flüchtlinge auf der Basis von aktuellen empirischen Erkenntnissen anzupassen.
(Start-up Project)
Kontext
Hintergrund dieser Studie bildet der „lange Sommer der Migration“ (Hess et al. 2016) oder die Ereignisse, die gemeinhin abwertend als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet werden. Das Migrationsgeschehen hinter diesen Bezeichnungen erreichte globale mediale Aufmerksamkeit im Sommer 2015 als Millionen von Menschen vor Krieg und Terror in Syrien und Afghanistan flüchteten und nach Europa gelangten. Die Massen an Flüchtlinge kamen aber nicht nur aus dem Nahen-und Mittleren Osten, sondern auch aus Pakistan, Eritrea, Somalia, Nigeria und aus dem Sudan zusammen mit einer anhaltend hohen Zuwanderung von Menschen aus Serbien, dem Kosovo und Albanien (vgl. Vertovec 2015). Einerseits lösten diese Entwicklungen die Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, den Geflüchteten in praktischer Solidarität zur Seite zu stehen, während gleichzeitig rassistische Stereotypien mobilisiert und die Aufenthaltsbedingungen der Geflüchteten staatlicherseits wieder verschärft werden. Diese teils gegenläufigen Entwicklungen werden insbesondere von Politik und Medien aufgegriffen und öffentlich thematisiert. Seit dem Sommer 2015 vergeht kaum ein Tag ohne mediale Berichterstattung über das Thema. Die Flüchtlingsdebatte ist ohne Zweifel in aller Munde in Europa.
Forschungsstand und Fragestellungen
Diese Studie möchte einen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte leisten und eine neue analytische und methodologische Perspektive einführen, welche die Annahme, dass Migranten in ihren Ankunftsländern sesshaft bleiben, aufzubrechen versucht. Die aktuelle Sicht auf Flüchtlingsmigration ist einerseits durch eine starke sesshafte Politik geprägt, andererseits aber auch von einer Politik, die Rückkehrmigration in jeglicher Art fördert: Der Hohe Flüchtlingskomissar der Vereinten Nationen (UNHCR) beispielsweise empfiehlt zur dauerhaften Problemlösung entweder lokale Integration und Familienzusammenführungen von Flüchtlingen, oder ihre Neuansiedlung in sog. Drittstaaten (resettlement) bzw. (freiwillige) Rückkehr (vgl. UNHCR 2014). Neueren Erkenntnissen im Bereich der Migrationsforschung zufolge, sind Migranten weder notwendigerweise sesshaft im Ankunftsland, noch praktizieren sie ausschließlich sedentäre Rückkehrmigration. Forschungen bestätigen andauernde geographische Mobilitätspraktiken von Migranten „nach der Migration“ (vgl. Dahinden 2010, Lindley und Van Hear 2007, Jefferey und Murison 2011, Moret 2015, Schrooten et al. 2015, Wieczorek 2016) und machen verschiedene Muster der (Im)Mobilität aus (vgl. Wieczorek 2017). Aufbauend auf diesen Ergebnissen, beschäftigt sich diese Studie mit einer potenziellen (geographischen) Diversität von Mobilitätspraktiken bei Menschen, die in der Vergangenheit als Flüchtlinge in die Länder der EU migrierten bzw. in Länder, die trotz fehlender EU-Mitgliedschaft das Schengener Abkommen unterzeichnet haben (z.B. Schweiz, Lichtenstein, Norwegen), und dessen aufenthaltsrechtlicher Status sich mittlerweile gesichert bzw. stabilisiert hat. Bei der Situation bereits migrierter Flüchtlinge ist anzunehmen, dass sowohl die Form der Im/Migration eine Rolle spielen wird (insbesondere der Aufenthaltsstatus der damit verknüpft ist) als auch die EU-Regulierung der Personenfreizügigkeit unter dem Schengener Abkommen. Im Vordergrund steht die Frage, ob die (Im)Mobilitätsmuster der Immobilität, Transmobilität und Kosmobilität (vgl. ebd.) auf eine EU-Binnenflüchltingsmigration anwendbar sind bzw. wie sie davon abweichen, ob andere Muster entstehen und welche strukturellen und individuellen Gründe dafür auszumachen sind. Dabei liegt der inhaltliche Fokus auf der Rolle des Schengener Abkommens. Zu fragen ist: Welche Rolle spielt das Schengener Abkommen bei der Entstehung von geographischen (Im)Mobilitätspraktiken von Flüchtlingen? Wie nehmen die Flüchtlinge „Schengen“ wahr? War ihre Flucht mit Erwartungen bezüglich ihrer Personenfreizügigkeit unter Schengen am neuen Ankunftsort verbunden? Sind ‒ wenn überhaupt ‒ ihre Mobilitätspraktiken auf den europäischen Schengener Raum gerichtet? Oder praktizieren sie eher doch andere Mobilitäten, z.B. im Sinne einer Rückkehrmigration?
Forschungsdesign
Diesen Fragen wird anhand von Methoden qualitativer Sozialforschung nachgegangen. Dabei würden sich eine Kombination aus strukturierten Leitfrageninterviews und narrativen Interviews anbieten um einerseits inhaltliche Schwerpunkte zu setzten; andererseits aber auch gewährleisten zu können den Interviewten Spielräume zu geben ihre potenziellen Mobilitätspraktiken und die dafür zugrundeliegenden Motivationen darzulegen. Als Untersuchungsgruppe (Sample) bieten sich aus methodologischen Gründen Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien an, weil diese „Flüchtlingswelle“ ‒ ausgelöst durch die Jugoslawienkriege (Balkankonflikt) ‒ bereits einige Jahre zurückliegt und somit eine Untersuchung zu „Mobilität nach der Flucht“ überhaupt erst möglich macht. Aufgrund dieser inhaltlichen Ausrichtung, wird angestrebt einer methodologischen Verzerrung des sog. „Methodologischen Nationalismus“ so weit wie möglich entgegenzusteuern. Im Besonderen bietet sich dazu an, die Untersuchung nicht nur in einem europäischen Nationalstaat durchzuführen, sondern in mehreren und somit einen mehrseitigen Ansatz (multi-sited approach) zu Grunde zu legen (vgl. Marcus 1995, Amelina und Faist 2010). Interessant ist der Fall von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien auch deshalb, weil es sich um europäische Binnenmigration handelt, deren Wanderungsrichtung von Nicht-EU Ländern hin zu EU-Mitgliedsstaaten verläuft. Bezüglich des Forschungsdesigns wäre noch zu klären, welche und wie viele Länder des Schengener Raums als Untersuchungsorte in Frage kämen (z.B. Deutschland, Österreich, Schweden).
Beitrag zur Flüchtlingsdebatte in Europa und Ziel der Studie
Die öffentliche Debatte in Europa fokussiert vor allem auf Syrische und Afghanische Flüchtlinge, die im Sommer 2015 nach Europa gekommen sind. Diese Untersuchung kann aufgrund methodologischer Probleme bei dieser Migrantengruppe jedoch nicht durchgeführt werden, weil diese Menschen aufgrund ihres oftmals nicht geklärten rechtlichen Status die Personenfreizügigkeit des Schengener Abkommen (noch) nicht nutzen können. Trotzdem kann diese Studie, die auf einer bereits länger vergangenen Fluchtwelle basiert, zu diesem Diskurs einen wichtigen Beitrag leisten. Sie könnte sowohl für eine „Entdramatisierung“ der politisierten Flüchtlingsdebatte als auch für pragmatische Politikgestaltung im Bereich der europäischen Integrations- und Migrationspolitiken von Relevanz sein.
Ziel dieser Studie ist es, ein tieferes Verständnis von der tatsächlichen (Im)Mobilität von Flüchtlingen zu generieren. Dieses impliziert ein Bild, welches Flüchtlinge als Akteure in den Vordergrund stellt, anstelle eines Bildes des „passiven“ Flüchtlings, der keine Handlungskapazitäten aufweist. So kann die Integration von Flüchtlingen im „europäischen Raum“ betrachtet und gefördert werden, und nicht nur in einem „nationalstaatlichen Container.“ Der Fokus auf die Frage: „Was passiert nach der Flucht?“ kann somit eine innovative Perspektive auf das europäische Flüchtlingsgeschehen bieten um letztlich politische Empfehlungen in Bezug auf Flüchtlinge auf der Basis von aktuellen empirischen Erkenntnissen anzupassen.