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Nikolas Schall

Nikolas Schall
 
Rooting on the Route: Permakulturanbau und Solidarität in Diversität auf Lesbos
(Start-up Project)

Die griechische Insel Lesbos und das Flüchtlingslager Moria rückten nach Protesten, einem Brand, mehreren Toten und einem Polizeieinsatz mit Tränengas im September 2019 in den Fokus europäischer Medien. Desolate Lebensbedingungen, die schon im Februar 2019 vom Europarat als menschenunwürdig beschrieben wurden und Wartezeiten von über einem Jahr für den Beginn des Asylverfahrens führen dabei immer wieder zu Protesten.

Die geographische Lage der griechischen Insel in der Ägäis sorgt dafür, dass sich die Regeln, Akteure und Praktiken des europäischen Grenzregimes hier verdichten. Zentrale Marker europäischer Migrationspolitik wie die Militarisierung der europäischen Außengrenzen, die Gründung von Frontex, die Debatten und Konflikte um zivile Seenotrettung sowie das umstrittene EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 werden hier unvermittelt sichtbar. Während das mediale Interesse stark schwankt und nur kurzzeitig aufflackert, haben sich infolge der geographisch und politisch exponierten Lage auf den griechischen Inseln in den vergangenen zwei Jahrzehnten vielfältige Unterstützungs- und Solidaritätsstrukturen für Geflüchtete gebildet. Eine dieser Initiativen ist ein Permakulturgarten, der von einheimischen Inselbewohner*innen, ankommenden Geflüchteten und wechselnden internationalen Freiwilligen organisiert wird. In der Tradition der Permakultur sollen dabei unabhängige, widerstandsfähige und gerecht verteilte Lebensräume erschaffen werden, in denen das Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen so miteinander kombiniert wird, dass die Systeme zeitlich unbegrenzt funktionieren.

Innerhalb meines Post-Doc Projekts werde ich dieses Projekt im Rahmen einer stationären ethnographischen Feldforschung betrachten. Ich knüpfe damit an die theoretischen Grundlagen meiner Dissertation an, in der ich Praktiken von Solidarität in Diversität beobachtet und untersucht habe. Im Unterschied zu den eventartigen Kollaborationen und Solidaritätsbeziehungen, die im Fokus meiner Dissertation standen, stelle ich in dem aktuellen Projekt langfristige Kollaborationen im Rahmen des Permakulturgartens in den Mittelpunkt. Neben den erprobten theoretischen Grundlagen wird Ansätzen und Diskussionen zu Gemeingütern eine größere Bedeutung zukommen. Der Titel des Projekts verweist auf die vermeintliche Dichotomie von „roots“ im Sinne von Praktiken der Verbundenheit sowie „routes“ im Sinne von Praktiken der Migration. Permakulturansätze, zyklische Wachs- und Erntezeiträume, das Ausbilden von Wurzeln der Pflanzen auf der einen Seite und einer fremdbestimmten Mobilität der Fliehenden und die Prekarität der Lebenssituation, stellen ein Spannungsfeld dar, in dem das Projekt agiert. Mit ethnographischen Beschreibungen aus diesem Spannungsfeld soll das Projekt zu übergeordneten Debatten beitragen, die Migrationsforschung im Sinne einer (Im-) Mobilitätsforschung verstehen und Sesshaftigkeit genau wie Wanderung als Realitäten menschlichen Lebens anerkennen.
 
 
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